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Der Meister der Schwarzkeramik: Jahrtausendealte Handwerkskunst neu entschlüsselt

China Heute  |  
24.09.2024

Es war ein Sensationsfund, als man 2011 im Kreis Jing'an in Jiangxi einen schwarzen Keramikbecher aus der Jungsteinzeit ausgrub. Das Besondere: Die Wand des Bechers war so hauchdünn wie eine Eierschale. Auch Wu Yingfang war baff angesichts der kunsthandwerklichen Raffinesse des Artefakts. Und das will etwas hei?en, denn Wu kommt vom Fach. Er stammt aus einer alten Familie von Keramik- und Porzellanmachern. Bedauerlicherweise sei das Wissen um die Kunst zur Herstellung des dünnwandigen Keramiktrinkgef??es verloren gegangen, sagt er. Doch damit wollte sich der Handwerksmeister nicht zufriedengeben. Er setzte alles daran, die uralte Fertigungstechnik wieder zum Leben zu erwecken – mit Erfolg. 

Eine Geschichte der Weiterführung 

Das Keramikhandwerk im Kreis Jing'an hat lange Tradition, wird seit Generationen weitergegeben. Familie Wu ist im Kreis bekannt. Die Sippe führt die alte lokale Handwerkskunst bis heute meisterhaft fort. 

Die virtuose Handwerkerader der Familie l?sst sich bis in die Qing-Dynastie zurückverfolgen, wo einst Wu Fenqing, Gründer der Familient?pferei, in der Guangxu-Periode (1875-1908) das Licht der Welt erblickte. Wu Fenqing verstand sich auf den Bau traditioneller eif?rmiger Long-Brenn?fen. Sein Sohn, Wu Yulin, trat in die Fu?stapfen des Papas. Von klein auf lernte er das Handwerk seines Vaters, sodass er mit 30 Jahren den gesamten Prozess der Keramikherstellung aus dem Effeff beherrschte.  

Die Familie gab ihr handwerkliches Wissen dann von Generation zu Generation weiter, schlie?lich auch an Wu Xianchong, Wu Yinfangs Vater. Dieser war bereits im Alter von 20 Jahren in der Lage, eigenst?ndig Brenn?fen zu bauen, und besa? ein profundes Verst?ndnis für den gesamten Prozess der Keramik- und Porzellanherstellung. Er war als hochqualifizierter Handwerksmeister in einer Porzellanfabrik im Kreis Jing'an t?tig und widmete sein ganzes Leben der Wiederbelebung des Brennverfahrens im Jing-Ofen. Neben der Weitergabe der von den Vorfahren ererbten Techniken zum Bau des eif?rmigen Long-Ofens befasste sich Wu Xianchong auch mit dem Bau und der Feinabstimmung verschiedener weiterer Holz?fen, allen voran des Mantou-Ofens. 

Die Leidenschaft für die T?pferei übertrug sich vom Vater zum Sohn. Auch der junge Wu Yingfang trug den Samen des ?Keramiktraums“ schon früh tief in seinem Herzen. ?In Kindertagen nahm mich mein Vater oft mit in die Fabrik, wo ich die unz?hligen Keramiken und Porzellanwaren bestaunte. Mit Vergnügen vergrub ich meine Finger im feuchten Ton und begann, selbst zu modellieren. Sobald der blasse Ton auf Feuer traf, verwandelte er sich in zauberhaftes Porzellan, was mich sehr faszinierte“, schildert der heute 53-J?hrige den Beginn seiner Leidenschaft.  

Unter der Anleitung des Vaters war der junge Handwerksmeister schon im zarten Alter von sechs Jahren imstande, mit geschickten Handgriffen kleine Gef??e zu formen und bewies damit ein erstaunliches Talent. Mit 17 Jahren begann er schlie?lich seine berufliche Laufbahn und vertiefte sich in die Erforschung der Schwarzkeramik. ?Mein gro?er Traum war es schon damals, die Sch?nheit schwarzer T?pferwaren wieder zum Leuchten zu bringen“, erz?hlt er uns. 

Diesem Ziel widmet sich Wu nun schon seit über 30 Jahren, bis heute. Der emsige Handwerksmeister hat sich mittlerweile über die Region hinaus einen Namen gemacht – als nationaler Modellarbeiter, überlieferer des immateriellen Kulturerbes auf Provinzebene und Spitzenfachkraft der Provinz Jiangxi. Auch auf seine S?hne ist der Funke übergesprungen. Auch sie engagieren sich für die Weitergabe des traditionellen T?pferhandwerks. Mittlerweile ist sein ?ltester Sohn, Wu Shi, ebenfalls offizieller Erbe des immateriellen Kulturerbes. Bereut hat er diese Entscheidung nie: ?Nach meinem Studienabschluss kehrte ich in die Heimat zurück, um das Handwerk meiner Familie fortzusetzen. Mein Bruder Wu Chao besch?ftigte sich schon damals mit der Keramikmalerei und traf nach seinem Abschluss die gleiche Entscheidung wie ich“, erz?hlt Wu Shi. 

Das Geheimnis der dünnwandigen Schwarzkeramik 

Dünnwandige Schwarzkeramik gilt als H?hepunkt der antiken chinesischen T?pferkunst. Sie wird von Arch?ologen als feinstes Kunsthandwerk gefeiert, dass es vor viertausend Jahren auf dem Globus gab. Als 2011 dann ein Schwarztongef?? in der Tigerhügel-Ausgrabungsst?tte in Jiangxi entdeckt wurde, dessen dünnste Stelle nur 0,4 mm betrug, war die Begeisterung entsprechend gro?. Leider war die antike Brenntechnik dieser T?pferkunst verloren gegangen. Mangels Aufzeichnungen blieb das Geheimnis ihrer Herstellung lange ungel?st. 

Die meisterhafte Herstellungstechnik der dünnwandigen Schwarzkeramik beeindruckte auch Wu zutiefst. Er besch?ftigte sich damals schon seit Jahren mit der Weitergabe der Schwarzt?pferei. Dünnwandige Schwarzt?pferei war allerdings auch für ihn zu jenem Zeitpunkt Neuland. ?Damals trat Zhang Longfei, der Kreisvorsteher von Jing'an, an mich heran und bat, ich solle mich der Sache annehmen. Am Anfang hielt ich das für einen Klacks! Wenn das die Menschen vor über viertausend Jahren schon unter den damaligen Bedingungen konnten, dürfte das für mich ja ein Kinderspiel sein, so dachte ich.“ Die Realit?t sollte den 53-J?hrigen eines Besseren belehren. 

Erst als Wu sich an die Arbeit machte, erkannte die Koryph?e, dass es viele Herausforderungen gab. Die Brenntechnik dieser T?pferkunst war schon seit Jahrtausenden verloren gegangen. ?Man muss sich auf Erfahrung und Inspiration verlassen, um das Wissen der Antike wieder zutage zu f?rdern“, sagt Wu. Um geeigneten Ton für die dünnwandige T?pferware zu finden, reiste Wu fast durch ganz Jing'an. Nach wiederholten Tests tat er schlie?lich einige Tonarten auf, die plastisch, fein und schadstofffrei waren, was sie für die Herstellung dünnwandiger Schwarzkeramik pr?destinierte. 

Der n?chste Schritt bestand in der Herstellung des Formlings. Da die Wand der Keramikgef??e sehr dünn ist, l?sst sich die Dicke nicht durch Klopfen auf den Formling beurteilen, sondern nur mithilfe eines Modelliermessers. Und dessen Einsatz erfordert h?chstes Fingerspitzengefühl. ?Selbst überm??iges Atmen oder kleinste Bewegungen k?nnen zum Scheitern führen“, beschreibt Wu die aufwendige Prozedur. 2019 gelang es dem T?pfermeister dann endlich, eine dünnwandige Schwarzkeramik zu kreieren, deren dünnste Stelle nur 0,2 mm betrug. 

Beim Brennen liegt dem Handwerksmeister auch der Umweltschutz am Herzen. Er verzichtet bewusst auf die Zugabe chemischer Stoffe und verwendet nur naturbelassenes Holz. ?Die Wiederentdeckung der Herstellung dünnwandiger Schwarzkeramik hat mir die tieferliegende Wahrheit des taoistischen Prinzips der Einfachheit vor Augen geführt. Mittlerweile verzichte ich komplett auf den Einsatz von Chemikalien und verwende nur natürliche Materialien in ihrer Reinform. Idee ist es, in einen Dialog mit der Natur zu treten – ganz so, wie es einst schon unsere Vorfahrer taten“, schw?rmt Wu. 

Dank seiner Bemühungen gelang der Kunst der Schwarzkeramikherstellung 2017 der Sprung auf die offizielle Liste des immateriellen Kulturerbes der Provinz Jiangxi. Wu wurde zum repr?sentativen Erben auf Provinzebene ernannt. 

Die Saat der Vergangenheit in die Zukunft tragen 

Seit Jahren steht Wu mit Keramikliebhabern und Praktikern der Branche in engem Kontakt und tauscht Erfahrungen mit ihnen aus. Darüber hinaus h?lt er als Gastprofessor immer wieder an Universit?ten Vorlesungen, um das traditionelle Handwerk weiterzuführen. 

?Neben meinen pers?nlichen Bemühungen legen die Lokalregierungen auch gro?en Wert auf die Weiterführung der Schwarzkeramikkultur und unterstützen mich tatkr?ftig“, sagt Wu. In den letzten Jahren habe der Kreis Jing'an ein akademisches Austauschzentrum, ein Museum für immaterielles Kulturerbe und eine Forschungsbasis mit insgesamt über 3000 Quadratmetern aufgebaut, um der Welt die Geheimnisse der antiken schwarzen Keramik n?herzubringen. 

?Ich habe sogar eine Schülerin aus Beijing, die sich sehr für schwarze Keramik interessiert“, erz?hlt uns der 53-J?hrige stolz. ?Sie begann 2016 bei mir zu lernen und hat bis heute durchgehalten. Inzwischen ist sie in der Lage, selbst entsprechende Keramik herzustellen“, sagt Wu. ?Da der Staat sich die Fortführung der traditionellen Kultur auf die Fahnen geschrieben hat, freut es mich umso mehr zu sehen, dass immer mehr junge Leute sich dem Schutz des immateriellen Kulturerbes widmen.“ 

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Schwarzkeramik,Handwerkskunst,Meister