Denkmalschutz in China
"China ist gro? und reich an Geschichte" Exklusiv
Wie funktioniert Denkmalschutz in China? Welche Rollen spielen das Staatsamt für Kulturerbe, die lokalen Beh?rden und auch interessierte Privatpersonen? Wer sind diese Privatpersonen und warum setzen sie sich für den Denkmalschutz ein?
Denkmalschutz ist in China wie anderswo in erster Linie eine staatliche Aufgabe. Entsprechende Institutionen gibt es auf gesamtnationaler Ebene, auf Provinzebene und auf der Ebene der Regionalregierungen (Kreise, St?dte). Das Nationale Amt für Kulturerbe (National Cultural Heritage Administration) in Beijing ist die oberste Forschungsbeh?rde in diesem Bereich; sie ver?ffentlicht Ergebnisse in einem eigenen Verlag. Abgesehen von den bereits unter Schutz gestellten Objekten nationaler Bedeutung, bei denen der Erhalt im Vordergrund steht, f?llt dem Denkmalschutz auf der untersten Ebene gerade für die D?rfer und historische Wohnbauten die Aufgabe zu, Bauwerke und Ensembles überhaupt erst zu evaluieren und gegebenenfalls für ihren Schutz zu sorgen. Dabei stellt sich auch die Frage der zukünftigen Nutzung. Privatpersonen k?nnen hier unterstützend t?tig sein, indem sie sich z.B. darum kümmern, dass Bausubstanz nicht weiter verf?llt, oder verhindern, dass noch ungesichertes Material (z.B. Schnitzwerk) gestohlen wird. In einem Fall, der mir bekannt wurde, f?rdert eine von Einwohnern gegründete Entwicklungsgesellschaft den Unterhalt historischer Bauten im Interesse des ?rtlichen Fremdenverkehrs.
Welche Anstrengungen unternimmt die chinesische Regierung, um die Kulturgüter, bzw. die historischen D?rfer zu schützen? Wie würden Sie den Stellenwert des Denkmalschutzes in China beschreiben und hat sich dieser im Laufe der Zeit ver?ndert?
China ist gro? und reich an Geschichte, entsprechend ist der Denkmalschutz eine riesige und endlose Aufgabe. Im Jahr 2009 wurde die Gesamtzahl der denkmalschutzwürdigen St?tten landesweit auf rund 800.000 gesch?tzt, aber die meisten verschwinden schneller, als die Denkmalschützer mit der Evaluierung und Unterschutzstellung hinterherkommen. Die Zahl der Denkm?ler von nationaler Bedeutung liegt derzeit nur bei gut 5000, davon sind gut 1600 arch?ologische St?tten. Z?hlt man Denkm?ler auf Provinz-, Stadt- und Kreisebene hinzu, liegt die Zahl bei knapp 140.000.
Die Lage des Denkmalschutzes ist von Ort zu Ort verschieden: schwierig, wo Investitionen und Modernit?t von vorrangigem Interesse sind, besser, wo der Stolz auf ein einmaliges Erbe dominiert. Dabei kommt es auf den unteren Verwaltungsebenen oft auf einzelne Funktionstr?ger wie den Bürgermeister oder einen ?rtlichen Parteisekret?r und dessen Aufgeschlossenheit für Fragen des Denkmalschutzes an. Wo Desinteresse besteht, haben Denkmalschützer schlechte Karten, allerdings kann auch die h?here Verwaltungsebene eingreifen, wenn das Objekt wichtig genug erscheint. Tendenziell hat sich die Situation gegenüber früher verbessert. Inzwischen besitzen Chinas Denkmalschützer reiche Erfahrung, und viele k?nnen, gerade was den Erhalt oder die Restaurierung historischer Ensembles angeht, auf Erfolge verweisen. Es sind Leuchttürme für Kollegen an anderen Orten, zuweilen auch im Hinblick auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Umnutzung. Au?erdem wissen sie heute sehr gut, wie es im Ausland l?uft – ganz im Gegensatz zu der bei uns vorherrschenden Ignoranz, wenn es, egal auf welchem Gebiet, um China geht. Eine f?rderliche Rolle, was Leuchtturmprojekte angeht, spielen übrigens Chinas St?tten des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie verpflichten zu hohen Standards, und selbst einige D?rfer haben es auf die Liste geschafft.
Wie wird sich der Denkmalschutz in China Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?
Man darf vermuten, dass sich der Denkmalschutz noch st?rker auf l?ndliche Bauten fokussieren wird. Au?erdem dürften neuere Baudenkm?ler ins Blickfeld geraten, stilbildende oder ?rtlich stilpr?gende Bauten und Ensembles aus der Zeit nach der Staatsgründung. Von den noch ?lteren Bauten der Kolonialzeit stehen bereits heute viele unter Denkmalschutz. Der Shanghaier Bund ist das berühmteste Beispiel dafür. Das Bewusstsein für den Wert, den historische Bauwerke für das eigene Selbstverst?ndnis und die kulturelle Identit?t haben, scheint zuzunehmen.