Wolfram Elsner
China meint es ernst mit dem Aufbau einer ?kologischen Zivilisation Exklusiv
Wie sieht Chinas Strategie für mehr Nachhaltigkeit und weniger CO2-Emissionen aus und wo liegen die Unterschiede zu westlichen L?ndern?
China geht ?multidimensional“ vor, verfolgt eine komplexe Strategie, die der Komplexit?t der natürlichen Umwelt und der Klimakrise entspricht. Im 14. Fünfjahresplan werden neue W?lder in der Gr??enordnung von elf Millionen Hektar – der Fl?che Südkoreas – gepflanzt, die Technologieführerschaft bei allen Umwelttechnologien errungen sowie der Energiemix deutlich ver?ndert.
China investiert im 14. Fünfjahresplan 45 Prozent aller weltweiten Ausgaben für erneuerbare Energien. Es bezieht die gesellschaftlichen Strukturen und die menschlichen Verhaltensdimensionen ein, ohne die es keine ?kologische Zivilisation geben kann. Diese geh?ren zu den gr??ten Tabus im Westen, wo man Lebensstil und Konsummuster nicht anzurühren wagt.
China ?ndert nicht nur Technologien und Industriestrukturen, sondern auch Sozialstrukturen (z.B. die Einkommensverteilung), Konsumstile und Verhaltensweisen. Beispiele sind der neue Umgang mit Lebensmitteln und Lebensmittelverschwendung, aber auch die Anti-Monopol- und Datenschutz-Ma?nahmen in der IT-Industrie. Die vielen verschiedenen und originellen lokalen und regionalen Experimente mit Sozialkreditpunkte-Systemen spielen eine positive unterstützende Rolle.
Im Westen sind in vier Jahrzenten ?Neoliberalismus“ (der ja weder ?neo“ noch ?liberal“ ist), nicht nur die Verhaltensweisen degeneriert zugunsten eines Hyper-Individualismus und leerer ?Freiheits“-Floskeln. Die minimale Kollektivit?t, ohne die keine Gesellschaft überleben kann, ist zerst?rt und der Staat als gestaltendes, zukunftsorientiertes Instrument der Gesellschaft ist handlungsunf?hig. Die Dominanz des Finanzsektors hat alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen und zerst?rt. Eine Plutokratie beherrscht die Politik und verhindert jegliche gesellschaftliche Ver?nderung zum Besseren.
China baut seit Jahren sogenannte ?grüne St?dte“. Wie sehen diese aus und wie funktionieren sie? Welche Erfahrungen ergeben sich daraus, auch für andere L?nder?
Der Kontrast chinesischer Multimillionen-St?dte zu den Millionenst?dten im Westen oder gar denen in vielen anderen Entwicklungsl?ndern k?nnte nicht gr??er sein. Die ostasiatische Philosophie ist hier generell eine andere. Die St?dte sind nicht nur sauber, sie sind auch wohlorganisiert. Die Verkehrsüberwachung und -lenkung sorgt dafür, dass die Megastaus, die in den westlichen Millionenst?dten nahezu ganzt?gig zu erleben sind, fast nicht mehr vorkommen.
Die Stadt Guangzhou aus der Vogelperspektive (Archivbild von Xinhua)
Neue Grünanlagen überall, stets wohl gepflegt und jeden Quadratmeter ausnutzend. So kann man sich auch in Millionenst?dten wohlfühlen. Welche Ideenlosigkeit und Vernachl?ssigung dagegen oft in unseren St?dten! Am meisten haben mich aber neue Wohngebiete beeindruckt, bei denen die neuen Hochh?user quasi in neue W?lder hineingebaut wurden. Neue Stadtviertel mit Hochh?usern sind also nicht nur architektonisch und optisch ansprechend und hochwertig gebaut, und sie haben nicht nur eben ein bisschen Rasen um die H?user, sondern man hat den Eindruck, in einen Wald zu gehen und trifft dann auf das Wohnhaus. Das Grün dominiert die Neubauten.
Im chinesischen ?Netzwerk der 300 Grünen St?dte“ wird mit Null-Emissions-Konzepten st?dtebaulich und architektonisch experimentiert. Sogar der ?kologische Rückbau von St?dten findet statt. Ein weltweit führender ?kologisch orientierter Architekt aus Barcelona berichtete im Jahr 2019 auf einer chinesischen Innovationskonferenz, dass er die meisten seiner Ideen für ?kologische Stadt-Transformation in China realisieren k?nne und zeigte Beispiele. Die ?kologisch führenden westlichen L?nder (Deutschland, Finnland, Niederlande etc.) betreiben bei Shanghai jeweils bilaterale Entwicklungsparks, in denen an Null-Emissions-Technologien gearbeitet wird, etwa dem 3-D- und Null-Emissions-Haus aus recycelbaren Materialien.
Ich selbst bin in den letzten sieben Jahren von einem ?Aha-Erlebnis“ ins andere gefallen, weil ich als ?konom gesehen habe, wieviel man ver?ndern kann, wenn man die Menschen mitnimmt, w?hrend wir hier im Westen in Unf?higkeit erstarren. Die angeblichen ?Sachzw?nge des Marktes“ verhindern, dass der Westen seine Klimaziele auch nur ansatzweise erreichen wird. Im Westen wird lamentiert, hei?e ideologische Luft produziert, wir werden in Nebel ?eingewuselt“ … und das Klimaziel wird verfehlt.
Inwiefern unterstützt die chinesische Regierung Unternehmen beim Aufbau einer Green Economy? Wie k?nnte dies im Westen m?glich sein?
Chinas ?Geheimnis“ ist, dass es echte wettbewerblich organisierte und entsprechend regulierte M?rkte hat, die wirklich leistungsf?hig sind und die chinesischen Unternehmen leistungsf?hig machen. Der Pr?sident der EU-Handelskammer in China, J?rg Wuttke, hat jüngst gesagt, China sei ein Fitness-Zentrum für die EU-Unternehmen dort. Die Firma Bosch hat die meisten Innovationen des globalen Konzerns erkl?rterma?en in China. Der frühere Siemens-Chef Kaeser sagte, China brauche uns nicht, aber wir br?uchten China. Recht hat er. Das ist das ?Geheimnis“ eines Systems, in dem die menschlichen Ziele und die Zukunft im Vordergrund stehen und nicht sogenannte ?freie M?rkte“, die seit langem in engen Oligopolen und Vermachtungen versteinert sind. In China gibt es ein Geben und Nehmen zwischen Unternehmen und Gesellschaft. Die Unternehmen müssen erheblich h?here Sozialleistungen beitragen und Beitr?ge zur nationalen Entwicklung leisten, Infrastrukturen mit aufbauen, an Pilotentwicklungen teilnehmen und ihre Gewinne produktiv verwenden, statt in sinnfreie Spekulation zu überführen.
Ich muss heute feststellen, dass der neoliberale finanzialisierte und plutokratische Kapitalismus des Westens inzwischen Lichtjahre entfernt ist von der M?glichkeit, eine staatliche Handlungsf?higkeit und die Gesellschaftstheorie und -praxis für das notwendige minimale kollektive Handeln wiederzugewinnen. Für einen Konsens, für die Wissenschaftlichkeit und die Solidarit?t, die n?tig sind, um noch einen Beitrag zur L?sung seiner eigenen Probleme und der Probleme der Erde leisten zu k?nnen.
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